PKV-Rahmenvertrag zu Home Treatment bei jugendlicher Magersucht

Juni 2020

Essstörungen gehören im Erwachsenenalter zu den häufigsten chronischen psychischen Erkrankungen. Sie beginnen meistens bereits in der Jugend: Etwa ein Fünftel der 11- bis 17-Jährigen in Deutschland zeigt Symptome von Essstörungen, darunter Mädchen deutlich häufiger als Jungen. Während die Betroffenen sich selbst selten als krank wahrnehmen, bezeichnet die Deutsche Gesellschaft für Essstörungen e.V. (DGESS) die Magersucht als gefährlichste psychische Erkrankung. Laut einer britischen Studie sei die Sterblichkeit bei Magersucht weit höher als bei Schizophrenie oder Depression. 

Wichtig ist zu vermeiden, dass die Krankheit bei Jugendlichen chronisch wird. Hierfür ist grundsätzlich eine frühzeitige Therapie erforderlich. Darüber hinaus ist aber auch die Art der Behandlung von Bedeutung. Denn bei Magersucht ist das Rückfallrisiko sehr hoch. Eine große Schwierigkeit besteht für die Erkrankten darin, die Fortschritte und Verhaltensänderungen aus der stationären Behandlung in die eigene Lebensrealität zu übertragen.

Home Treatment mindert das Rückfallrisiko

Bereits eine frühere Studie (ANDI) des Universitätsklinikums Aachen kam zu dem Ergebnis, dass die Behandlung jugendlicher Magersüchtiger in einer Tagesklinik die gleichen kurzfristigen Erfolge zeigte wie eine vollstationäre Behandlung. Zudem war nach zweieinhalb Jahren die Rückfallrate deutlich geringer als nach einer vollstationären Behandlung. 

Seit 2017 folgte ein neues Projekt, das auf Home Treatment setzt. Beim Home Treatment betreut ein Behandlungsteam aus verschiedenen Fachbereichen psychiatrische Patientinnen und Patienten in ihrer gewohnten Umgebung. Dadurch können die Patientinnen früher aus dem Krankenhaus entlassen werden. Vor allem aber wird der Übergang von der klinischen Behandlung zurück in den Lebensalltag deutlich erleichtert. Die ersten Erfahrungen aus dem Projekt lassen auf eine weitere Senkung des Rückfallrisikos schließen.

Nach einem Kooperationsangebot durch die Uniklinik und einer Prüfung des Projektes durch den PKV-Verband haben das Universitätsklinikum Aachen und der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) Ende 2019 eine Vereinbarung für die besondere Behandlungsform Home Treatment bei jugendlicher Magersucht getroffen. Die Mitgliedsunternehmen des PKV-Verbandes können dieser Rahmenvereinbarung beitreten und ihren Versicherten Zugang zu dieser Behandlungsform bieten.

Das Home Treatment bei jugendlicher Magersucht der Uniklinik Aachen

Das Behandlungsangebot der Uniklinik Aachen richtet sich derzeit an Kinder und Jugendliche von 12 bis 18 Jahren, die an Magersucht leiden und maximal eine Stunde von der Klinik entfernt wohnen. Während Magersüchtige bei rein stationärer Behandlung durchschnittlich 17 Wochen im Krankenhaus bleiben, werden die Patienten bereits nach vier bis sechs Wochen ins Home Treatment entlassen und dort bis zu 16 Wochen durch das Team der Klinik begleitet.

Zu Hause erfahren die Patientinnen eine abgestimmte, umfassende Betreuung durch ein multidisziplinäres Behandlungsteam. Dieses Team besteht aus ärztlichem und pflegerischem Dienst, Sozialdienst, Psychologen/Psychotherapeuten, sonstigen Therapeuten (z. B. Ergotherapeutin) und Ernährungsberatern. 

In den ersten beiden Monaten werden die Patienten zwei bis vier Mal in der Woche zu Hause besucht und nehmen zusätzlich an der Gruppentherapie in der Ambulanz der Klinik teil. Ab dem dritten Monat werden die Hausbesuche zurückgefahren, wobei stets auf den Bedarf der Jugendlichen oder des Kindes geachtet wird. Während der gesamten Zeit wird die Familie einbezogen und kann bzw. sollte unterstützen. Die Patienten erfahren aber auch durch die Teammitglieder Hilfe bei ihrer Freizeitgestaltung und Rückkehr in Freundeskreis und Schule.

Allgemeine Hinweise zur Vereinbarung Home Treatment

Diese Art des Home Treatments wird gegenwärtig nur von der Uniklinik Aachen angeboten. Angestrebt ist allerdings eine Ausweitung auf weitere Kliniken. Ob ihre private Krankenversicherung dem Rahmenvertrag beigetreten ist, erfahren Interessierte direkt beim Unternehmen. Die Entscheidung darüber, ob Betroffene im Home Treatment behandelt werden, liegt bei der Klinik. 

Die Abrechnung der Home-Treatment-Leistungen erfolgt bei Einwilligung der Versicherten direkt zwischen Klinik und PKV-Unternehmen.