„Wer sich keine Zeit für Gesundheit nimmt, wird Zeit für Krankheit brauchen.“
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Eine aktuelle Studie des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP) zeigt eindrucksvoll: Obwohl die medizinische Versorgung in Deutschland auf hohem Niveau ist, liegt unsere durchschnittliche Lebenserwartung unter der unserer europäischen Nachbarn.
Das wirft eine wichtige Frage auf: Reicht moderne Medizin allein aus? Die Antwort ist klar – nein. Entscheidend ist, wie wir im Alltag leben: ob wir vorbeugen, uns bewusst ernähren, ausreichend bewegen und Pausen einbauen.
Denn hier besteht Handlungsbedarf: In Deutschland nehmen chronische Erkrankungen zu – oft unbemerkt, bis sie die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Dabei lässt sich viel tun: Wer frühzeitig aktiv wird, kann nicht nur Krankheiten vorbeugen, sondern auch seine Energie, Leistungsfähigkeit und Lebensfreude steigern.
Was genau dahintersteckt, erfahren Sie im Gespräch mit Ingo Froböse. Er erklärt, warum Prävention mehr ist als ein Check-up, welche Rolle Bewegung, Ernährung und Regeneration wirklich spielen – und wie Sie mit kleinen Schritten im Alltag viel für Ihre Gesundheit tun können.
Denn: Gesundheit ist kein Zufall. Sie ist das Ergebnis eines bewussten Lebensstils – und den kann jeder gestalten.
Über Ingo Froböse
Univ.-Prof. (em.) Dr. Ingo Froböse ist emeritierter Professor für Prävention und Rehabilitation im Sport an der Deutschen Sporthochschule Köln. Er leitete dort über viele Jahre das Institut für Bewegungstherapie sowie das Zentrum für Gesundheit durch Sport und Bewegung.
Heute engagiert er sich als Gesundheitsexperte in Wissenschaft, Politikberatung und Öffentlichkeit für einen aktiven Lebensstil und eine stärkere Verankerung von Prävention im Gesundheitssystem.
Was sagen Sie Versicherten bzw. Bürgerinnen und Bürgern, die sich auf gute Medizin verlassen und das Thema Prävention eher als Nebensache sehen?
Wer sich heute keine Zeit für seine Gesundheit nimmt, wird sich später sehr viel Zeit für seine Krankheiten nehmen müssen – das ist die zentrale Botschaft.
In Deutschland erkranken wir im europäischen Vergleich zu früh an chronischen Leiden, was Lebensqualität und Leistungsfähigkeit deutlich einschränkt. Während andere Länder stärker auf Prävention setzen und dadurch zwei bis drei Jahre länger leben – oft mit zehn bis fünfzehn Jahren mehr gesunder Lebenszeit – hinkt Deutschland hinterher. Wir sind Schlusslicht bei der Langlebigkeit und investieren zu wenig in gesunde Lebensführung.
Besonders in der Altersgruppe zwischen 20 und 45 Jahren sehen wir das größte Defizit. Dort fehlt oft das Bewusstsein, dass sich gesundes Verhalten lohnt – stattdessen dominieren Stress, hoher Alkoholkonsum und wenig Bewegung.
Deshalb brauchen wir präventive Angebote, die sich an Lebensphasen orientieren: frühe Gesundheitsbildung in Kita und Schule, Kompetenzvermittlung im Übergang ins Erwachsenenleben und begleitende Unterstützung im Berufs- und Familienalltag. Eltern und Kinder müssen dabei gemeinsam erreicht werden.
Das eigentliche Problem: Viele Menschen wissen zwar, dass ein gesünderer Alltag sinnvoll wäre – aber sie wissen nicht, wie sie das umsetzen sollen. Es fehlt an konkreter, qualifizierter Beratung. Allgemeine Appelle wie „Beweg dich mehr“ oder „Ernähr dich gesünder“ bleiben wirkungslos, wenn sie nicht individuell und lebensnah vermittelt werden.
Deshalb brauchen wir in der Fläche gut erreichbare Strukturen – etwa kommunale Gesundheitscoaches oder Anlaufstellen im öffentlichen Gesundheitsdienst –, die Menschen praktisch begleiten und Orientierung bieten. Denn es geht nicht nur um Medizin, sondern um Lebensstil, Lebensqualität und Teilhabe – ein gesundes Leben, das man versteht und gestalten kann.
Wenn Sie Verbraucherinnen und Verbrauchern drei einfache, alltagstaugliche Ratschläge für mehr Gesundheit mitgeben könnten – welche wären das?
1. Bewegung – nutze jede Gelegenheit im Alltag
Sammle Bewegungspunkte im Alltag – jede Stufe, jeder Schritt zählt. Geh möglichst viele Etagen zu Fuß, idealerweise 40 Etagen pro Woche, also etwa 5–6 Etagen am Tag. Das ist ein effektives Ausdauertraining, wie viele Studien zeigen, und lässt sich einfach in den Alltag integrieren. Auch kurze Einheiten zum Muskeltraining sind wertvoll: Versuche alle zwei Tage 5–10 Minuten Gymnastik oder muskelkräftigende Übungen einzubauen. Damit stärkst du deine Muskulatur und beugst einem altersbedingten Abbau vor – das kann Pflegebedürftigkeit deutlich hinauszögern.
2. Ernährung – bewusst und ausgewogen essen
Verzichte im Alltag möglichst auf Suchtmittel wie Nikotin und Alkohol – gönn sie dir höchstens zu besonderen Anlässen. Achte auf die Qualität deiner Nahrung: Setze auf frische Lebensmittel statt stark verarbeiteter Produkte. Lieber günstiges Marktgemüse als teure Snacks. Plane Esspausen von 4–6 Stunden ein – auch bei Getränken wie Limonade oder süßem Alkohol. Abends hilft eiweißreiche Kost, den Körper optimal zu versorgen.
3. Regeneration – erlaube dir echte Erholung
Regeneration ist zentral für deine Gesundheit. Achte auf ausreichend Schlaf – nicht nur in der Dauer, sondern auch in der Qualität. Vermeide einen Bildschirmmarathon am Abend. Gestalte stattdessen einen bewussten Tagesausklang, der Körper und Geist zur Ruhe kommen lässt. Nur wer sich gut erholt, startet frisch und widerstandsfähig in den nächsten Tag.
Gibt es noch etwas, das Ihnen besonders wichtig ist zu erwähnen?
Ja – das Wichtigste ist: Niemand hat mehr Interesse an deiner Gesundheit als du selbst. Deshalb übernimm Verantwortung – für dich, für deinen Körper, für dein Leben. Wir alle sind mit enormen Ressourcen ausgestattet. Geh achtsam mit ihnen um. Was du heute säst, wirst du später ernten – je früher du anfängst, dein Leben gesund auszurichten, desto mehr wirst du langfristig davon profitieren. Das ist meine zentrale Botschaft.
Und noch etwas: Vorsorge ist nicht Diagnostik. Diagnostik erkennt Probleme, wenn sie schon da sind – Vorsorge beginnt viel früher. Sie setzt beim Lebensstil an, bevor überhaupt etwas aus dem Gleichgewicht gerät. Genau da müssen wir hin.
Aktuell erleben wir jedoch einen Trend, der stark in Richtung pharmakologischer Lösungen und molekularbiologischer Forschung geht – in der Hoffnung, darin den Schlüssel zur Gesundheit zu finden. Aber das greift zu kurz. Molekularbiologie zeigt uns nur einen winzigen Ausschnitt des Menschen.
Gesundheit ist viel mehr: Sie entsteht im Zusammenspiel von sozialer Teilhabe, mentaler Stärke, körperlichem Wohlbefinden – und auch durch das Vermeiden von Einsamkeit oder Armut. Wenn wir Gesundheit nur im Labor suchen, verlieren wir den Menschen aus dem Blick.
„Gesundes Verhalten muss sich lohnen“ – Warum unser Gesundheitssystem krankt. Mehr dazu im Interview mit Ingo Froböse auf pkv.de.